Jüdisches Filmfestival Berlin/Brandenburg
Shauly Melamed, US 2022, 77 min, Dok Sprachfassung: Hebräisch Untertitel: Deutsch und Englisch
Ein neuer Blick auf alte Bilder – wer war ich, wer ich bin? Vier queere Israelis reflektieren anhand von DV-Homevideos aus ihrer Kindheit und Jugend, wie sie zu ihrer Sexualität gefunden haben. Adoleszente Identitätssuche mit der Kamera.
Bevor Smartphones zum Standardmedium für private bewegte Bilder wurden, drehte man mit der Videokamera und MiniDV-Kassetten. Der israelische Regisseur und Protagonist Shauly Melamed erstellte ab dem Alter von 12 Jahren ausgiebig Homevideos – mit sich selbst und seinen Freunden als Helden. Der heute offen schwul lebende Shauly entdeckt beim Austausch mit anderen queeren Erwachsenen, dass sie ähnliche Erfahrungen mit Verstecken, Scham und Begehren gemacht haben. Alle Protagonistinnen filmten sich früher selbst und werden nun mit ihren früheren Ichs konfrontiert. Dabei ändern sich die Blicke auf die Vergangenheit, werden Erinnerungen neu bewertet, wird Verdrängtes auf den Tisch gepackt. Tom, ein Transgender-Mann aus orthodoxem Haushalt sieht ein vorlautes Mädchen, das mit sich selbst nicht im Reinen war. Betty, die Tochter iranischer Einwanderinnen, küsste ihre Freundinnen überschwänglich vor der Kamera. Rumia, die Tochter einer alleinerziehenden Mutter, stellte Horrorfilme mit queerem Touch nach, noch bevor sich beide als lesbisch outeten. Der Weg zur Selbstakzeptanz war für die vier Protagonistinnen mitunter schwer, der persönliche, soziale und politische Druck hoch. Doch ihre Suche nach dem ´echten Ich` tritt in den Videoaufnahmen bereits deutlich zu Tage: Es offenbart sich durch die spielerische Überschreitung von gesellschaftlichen Normen der damals eher unbefangenen Kinder und Teenager. So unbefangen zu sich selbst zu stehen, wie sie es vor der Kamera konnten, mussten die Protagonistinnen in der Realität erst erlernen.
Text: Kira Tazman