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Geschichte

Das Areal des Internationalen Kunst- und Kulturquartiers Schiffbauergasse liegt auf einer Halbinsel am Tiefen See. Die bewegte Geschichte der Schiffbauergasse ist geprägt von industriellen, militärischen und kulturellen Nutzungsperioden. Lange bevor sich die Schiffbauergasse zu einem wichtigen Kultur- und Gewerbestandort von internationaler Bedeutung entwickelt hat, wurden hier einst Dampfschiffe gebaut, Ersatzkaffee und Gas produziert, Fische gezüchtet und das preußische Garde-Husaren-Regiment trainiert.

Anders als es der Name vermuten lässt, ist die Schiffbauergasse keine schmale Gasse, sondern ein 12 Hektar großes Gelände. Die dokumentierte Geschichte und Nutzung des Areals reicht rund 7.500 Jahre bis 5.500 v. Chr. zurück – wie durch den Fund einer Streitaxt bewiesen werden konnte. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts blieb der Uferstreifen unbebaut und war als „Potsdambsches Stoppelfeld“ bekannt. Als sich Potsdam dann über seine barocken Grenzen hinaus ausdehnte, entstanden weitere Siedlungs- und Nutzungsbereiche vor der Stadtmauer. In diesem Zuge wurde 1779 als erstes Gebäude des Areals eine Galerieholländermühle errichtet – später bekannt als Zichorienmühle. Seitdem war das Gelände von ständiger Veränderung geprägt: Die Gebäude und Flächen erfuhren mehrfach neue Nutzungen, wurden umgebaut, umfunktioniert, heruntergewirtschaftet und wieder aufgebaut.

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1817 machte eine Dampfschiffwerft das Areal auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und verlieh dem Gelände seinen Namen: Im selben Jahr zog John Barnett Humphrey Jr. mit seiner Werft von Berlin nach Potsdam, wo 1819 die „Fürst Blücher“ in der Schifbauergasse vom Stapel lief – das damals größte europäische Dampfschiff mit einer Länge von 61 Metern. Aber die Erfolgsgeschichte der Werft hielt nicht lange an: Die hiesigen Wasserwege waren zu schmal und zu flach für Schiffe dieser Größenordnung, zudem hatte sich Humphrey finanziell übernommen. Bereits drei Jahre später musste er die Werft schließen. Es gab also in der Tat eine Zeit, zu der tatsächlich Schiffe in der Schiffbauergasse gebaut wurden.

Neben der Schiffsbauhistorie ist das heutige Areal der Schiffbauergasse aber auch stark durch die preußische Militär- und Industriegeschichte geprägt. Das Quartier wurde fast ein Jahrhundert lang vom preußischen Garde-Husaren-Regiment genutzt. Das Regiment war ein Kavallerieverband der preußischen Armee, der 1815 gegründet wurde und bis 1919 bestand. Noch vor seiner Verlegung aus Berlin nach Potsdam im Jahr 1823 legte Carl Hampel, Direktor der preußischen Militärbauverwaltung, in planerischer Zusammenarbeit mit Karl Friedrich Schinkel ab 1822 Stallungen und zwei Reitplätze für das Regiment auf dem Gelände der Schiffbauergasse an. Innerhalb eines Jahrhunderts folgte der Bau von drei weiteren Reithallen, Pferdeställen und Funktionsgebäuden – mit wachsenden Standards wie Verbindungsgängen vom Schirrhof zur Schinkelhalle bis hin zu Kühlräumen für die Pferde. Der Bau der Garde-Husaren-Kaserne auf dem Gelände erfolgte 1839 auf Wunsch von König Friedrich Wilhelm III. Hier sollte eine neue Art der Regimentsunterbringung etabliert werden: Das Gebäude beherbergte fast die komplette, 600 Mann starke Kompanie.

Im 19. Jahrhundert entstanden weitere Funktionsgebäude des Garde-Husaren-Regiments: Das 1840 errichtete Gebäude, welches heute als „Offizze”  bekannt ist, diente ursprünglich als Wäscherei für das Regiment und wurde 1880/82 von der größeren Königlichen Garnisons-Dampfwaschanstalt (Waschhaus ) abgelöst, welche die Reinigung der Wäsche der Soldaten und Offiziere der Kaserne des preußischen Garde-Husaren-Regiments am Standort und für weitere Kasernen in Potsdam übernahm. Am 19. Juni 1888 übernahm Kaiser Wilhelm II. die Leitung des Regiments, welches daraufhin in „Leib-Garde-Husaren-Regiment“ umbenannt wurde. Im gleichen Jahr wurde die imposante Offiziersspeiseanstalt  feierlich eingeweiht. Es folgte das Kammergebäude („Rote Villa”) im Jahr 1905, welches als Kleiderkammer für Uniformen des Regiments errichtet wurde. Nach 1919 wurde die Mehrzahl der Gebäude des Garde-Husaren-Regiments bis 1990 von der Reichswehr, der Wehrmacht und nach 1945 von der NVA (Nationalen Volksarmee) und der russischen Armee durchgängig militärisch genutzt. Ein Großteil der Reitstallanlage wurde 1975 zugunsten des Baus der an das Areal angrenzenden Humboldtbrücke abgerissen.

Parallel zu der militärischen Nutzung entstand im Jahr 1856 auf dem Gelände der Schiffbauergasse eine Gasanstalt, welche die Stadt über 140 Jahre hinweg mit Gas, Koks und Teer versorgte. Das Werk wurde stetig erweitert: In den 1920er Jahren prägten viele verschieden hohe Schlote die Silhouette der Schiffbauergasse. Nach Kriegsende, als die Uferkante mit Trümmern aufgeschüttet wurde, nutzte die Gasanstalt die zusätzliche Fläche für den Bau der Maschinenhalle . Zudem entstand nach Plänen von Karl Gottfried Pust in der Zeit zwischen 1953 und 1955 der in neoklassizistischen Formen erbaute Koksseparator am Ufer des Tiefen Sees.

Neben dem Gaswerk siedelten sich auch andere Gewerbe auf dem Gelände an bzw. strukturierten sich neu: Zu DDR-Zeiten wurde die Fischerei im sogenannten Fischhaus, das 2009 abgerissen wurde, ausgebaut und Fischzucht betrieben und die ehemalige „Königliche Garnisonswaschanstalt“ wurde zur Großwäscherei ausgebaut.

Bis 1990 war die Schiffbauergasse aufgrund der militärischen und industriellen Nutzung für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Als nach dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung Teile des Areals nur noch teilweise umzäunt waren und damit zugänglich wurden, erkundeten Künstler*innen die maroden und teilweise verlassenen Gebäude. Es folgte eine Zeit zahlreichen Ausstellungen, Konzerten und Underground-Partys auf dem Gelände. Als nach Schließung des Gaswerks, der Wäscherei und des Großteils der Kasernen 1994 auch der letzte russische Soldat das Gelände verließ, hatte die Kunstszene einige Teile der Schiffbauergasse bereits für sich erschlossen und strebte eine dauerhafte Ansiedlung an.

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Viele der Kulturträger von damals sind geblieben: darunter die fabrik Potsdam e.V., das T-Werk e.V. Potsdam und die Waschhaus Potsdam gGmbH. Im Jahr 1999 wurde über den Theaterneubau des Hans Otto Theaters auf dem Gelände der Schiffbauergasse entschieden und damit der Grundstein für das Kunst- und Kulturquartier Schiffbauergasse gelegt. Zuvor ansässige freie Kulturträger sollten bleiben und weitere hinzukommen.

Am 5. Juni 2002 beschlossen die Stadtverordneten die Festlegung des Sanierungsgebiets Schiffbauergasse. Zu der Zeit war das Gelände noch eine Brache und aufgrund der vorhandenen städtebaulichen Missstände war dringender Handlungsbedarf geboten. Mit dem Ankauf der Grundstücke durch die Stadt, der Beauftragung des Sanierungsträgers als Treuhänder der Stadt und der Aufnahme in das Förderprogramm „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ wurden die Weichen für einen abwechslungsreichen Kultur- und Gewerbestandort zur regionalen und überregionalen Nutzung gestellt.

2006  inszenierte das Hans Otto Theater die ersten Stücke im neuen Gebäude, 2002 zog das Softwareunternehmen Oracle in den umgebauten Koksseparator des ehemaligen Gaswerks und seit 2005 hat das Volkswagen Group Future Center Europa der Volkswagen AG seinen Sitz in einem Neubau in der Schiffbauergasse. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an den historischen Gebäuden nahmen die ersten Kulturinstitutionen im Jahr 2006 den Betrieb in den neu sanierten Spielstätten am Havelufer auf: fabrik Potsdam, T-Werk, Hans Otto Theater, Kunstraum und die Veranstaltungshalle Schinkelhalle. Das Theaterschiff ist im Frühjahr 2014 in der Schiffbauergasse in direkter Nachbarschaft zum Hans Otto Theater und der fabrik in der Schiffbauergasse vor Anker gegangen. Und die Bundesstiftung Baukultur hat seit 2011 ihren Sitz im sanierten Kammergebäude („Rote Villa”) im Internationalen Kunst- und Kulturquartier Schiffbauergasse. Heute gibt es auf dem Areal 40 Anlieger und Orte auf den Außenflächen. Die Entwicklung des Internationalen Kunst- und Kulturquartiers Schiffbauergasse ist ein fortlaufender Prozess: Erst 2019 wurde der vorerst letzte Neubau neben dem Parkhaus fertiggestellt, in dem sich heute ein großes Steuerbüro befindet.


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