Das museum FLUXUS+ stellt sich in der kommenden Sonderschau dem Experiment der Zusammenschau von Positionen der künstlerischen Avantgarde im geteilten Deutschland. Während im westlichen Teil damit jene Künstler gemeint sind, für die das museum FLUXUS+ programmatisch steht, kommen durch zahlreiche Leihgaben Positionen der nichtkonformen Kunst der DDR hinzu, die einen, ästhetische Grenzen überschreitenden Ansatz verfolgen. Die Ausstellung will damit exemplarisch aufzeigen, wie prägend in beiden Teilen Deutschlands Künstler waren, die mit ihren abstrakten, prozessualen sowie dokumentarischen Strategien an den ästhetischen Grenzen etablierter Kunstproduktion rüttelten, auch wenn sie höchst unterschiedliche Öffentlichkeiten erreichten.
Grenzüberschreitungen sind daher nicht nur ästhetisch, sondern vor allem auch politisch zu verstehen. Als zentrales Motiv einer systemkritischen Kunst sind diese Grenzüberschreitungen vordergründiger Wahlverwandtschaften in einem gesamtdeutschen Kontext zu verstehen, vor einem gemeinsamen historischen Hintergrund auf der Suche nach einer gemeinsamen Identität. Alle Positionen stehen für die Kunst im geteilten Deutschland, die bis in die 1990er Jahre entstand und sowohl ein ästhetisches, wie auch ein gewisses gesellschaftliches Grenzgängertum verdeutlichen. Musik und Poesie werden zur visuellen Kunst und zum Happening, ein Film wird zu einer prozessualen Skulptur, Alltagsgegenstände werden zu multiplen Kunstwerken, Kunst wird zu Politik und umgekehrt. Die Dokumentation einer Zeitungsaktion sprengt nicht nur ästhetisch den institutionellen Rahmen, sondern beschreibt mit pikanten Mitteln, welche Mechanismen der Geschichtsbildung im Moment der Wiedervereinigung zu befürchten waren.
Vor dem Hintergrund unterschiedlichster Biografien wird eine Geschichte von Aneignung und Missverständnissen, von Sympathie und Ablehnung von unterschiedlichen Öffentlichkeiten und unterschiedlichem Verständnis vom Erfolg künstlerischer Strategien erzählt, welche sich im Moment der Wiedervereinigung in eine ungewisse Zukunft aufzulösen scheint. Mit dieser Zusammenschau stellt sich die Frage, inwieweit die deutsch/deutsche Teilung in der Nachkriegszeit sich in den Ausprägungen avantgarder Kunst niederschlug und ob in ihr eine gewisse Notwendigkeit lag, um eine gesamtdeutsche Identität unter vielfältigen Gesichtspunkten zu verhandeln und neu entstehen zu lassen.
Die Ausstellung zeigt die beiden Teile Deutschlands als zwei Seiten einer Medaille, deren Wert sich erst seit der Transformationszeit der 1990er Jahre zu zeigen beginnt und der sich durch die neue Aufmerksamkeit für die nicht konforme Kunst der DDR bis heute laufend weiterentwickeln wird.
23. September 2023 bis 4. Februar 2024
Ausstellung im museum FLUXUS+
Schiffbauergasse 4f, 14467 Potsdam